Die Strecke im Überblick

Eine Entdeckungswanderung

Von Wasserburg BF (= Bahnhof Reitmehring) zu Meggle Nord

Die Strecke in Richtung Wasserburgs Altstadt zweigt unweit der Station „Wasserburg Bahnhof“ ab. Ich finde den Namen irreführend, denn hier ist man nicht „in Wasserburg“, sondern irgendwo in der Pampa, und lediglich auf dem Papier befindet man sich bereits in der Stadt. Wer den Verlauf des alten Gleises rekapitulieren will, der folgt ihm ab einer Weiche in der Nähe des ehemaligen Schrankenwärterhäuschens am Bahnübergang (heute ist alles automatisiert, denke ich), und geht auf die riesigen Schlote der Firma Meggle zu. Auf einem kurzen Teilstück, das heute noch in Betrieb ist werden hier ab und an Züge des Filzen-Express geparkt. Gleich dahinter versperrt ein Prellbock den weiteren Weg für Schienenfahrzeuge, und ein Zaun auch für Fußgänger. Durch den Zaun hindurch lässt sich noch gut erkennen, daß die Firma Meggle, die ja hinter dem Zaun liegt früher ein Nebengleis hatte, durch welches sie an das Schienennetz angebunden war. Übrigens wurden Teilstücke des alten Gleises auf dem Meggle-Gelände zwischenzeitlich abgerissen – mit der Auflage, daß sie im Falle einer Wiederinbetriebnahme wiederhergestellt werden müssen. Ist im Grunde genommen aber auch egal, denn nach so vielen Jahren des Stillstands müsste eh alles neu gemacht werden. Um der Strecke weiter zu folgen, ist eine Umgehung des Firmengeländes erforderlich. Am besten hält man sich hierzu linkerhand, folgt zunächst dem Zaun, und dann der Megglestraße, bis das Gleis auf der Rückseite des Betriebsgeländes wieder auftaucht.

Von Meggle Süd bis zum Gaberseer Graben

Wer mit dem Auto anfährt, und gerne auf der Bahnstrecke in Richtung Wasserburger Altstadt wandern möchte, dem empfehle ich als Parkplatz die Stellplätze an der Schmiedwiese (von der Megglestraße aus gesehen unmittelbar hinter den Wertstoff-Containern gelegen).

Von hier aus kann, wer möchte die ehemalige Bahnstrecke noch ein paar hundert Meter lang zurück in Richtung Bahnhof Reitmehring gehen, bis man schließlich auch hier auf den Zaun des Meggle-Firmengeländes stößt. Die Gleise sind auf dem kurzen Sackgassen-Stück kurioser Weise überall mit irgendwelchen Gartenpflanzen überwachsen, die sich in den langen Jahren seit der Stillegung hier wild vermehrt haben. Am Ende des Weges, unmittelbar vor dem Werkszaun liegt ein Haufen alter Bahnschwellen und Gleise, welche früher noch auf dem Meggle-Gelände verliefen, zwischenzeitlich aber herausgerissen worden sind. Auch neben dem Gleis finden sich noch Spuren der alten Bahnverbindung in Gestalt von vor sich hin rostenden Signalanlagen, Elektro-Schaltkästen sowie Führungsrollen für die Steuerdrähte von Signalen oder einer Bahnschranke. Beides dürfte früher vom Schrankenwärterhäuschen nahe des Reitmehringer Bahnhofs aus gesteuert worden sein.

Auf dem weiteren Verlauf der Strecke wieder zurück in Richtung der Wasserburger Altstadt folgt jetzt der schöne Abschnitt der Strecke, der sich sehr gut zum Beispiel für eine kleine Wanderung am Wochenende eignet. Zunächst verläuft das Gleis durch eine Wohnsiedlung. Dichter Bewuchs auf dem Bahndamm erfordert es, daß man hier neben dem Gleis auf der Schotterstraße geht. Es folgt ein kurzes Stück entlang eines wassergefüllten Grabens, in dem sich Rohrkolben ausgebreitet hat. Hier sind die Gleise zwischen dem Gestrüpp kaum mehr auszumachen. Sie tauchen indes wieder an der nahen Unterführung unter der B15 hindurch auf – und ab hier lässt sich super der größte Teil der verbleibenden Strecke unmittelbar auf den meist stählernen Bahnschwellen laufen.

Gleich nach der Unterführung öffnet sich der Blick in eine wunderschöne Landschaft. Rechts und links ausgedehnte Felder, weit hinten links ein Kirchturm. Dem Spaziergänger mit Blick fürs Detail wird auffallen, daß auf vielen der Bahnschwellen noch gut sogenannte Walzzeichen erkennbar sind (das sind, vereinfacht ausgedrückt, Herstellerangaben) – und nicht wenige davon reichen nahezu unglaublich weit zurück in die Vergangenheit! Da finden sich Walzzeichen aus den 1890er-Jahren, von vor dem Ersten Weltkrieg, und von vor dem Zweiten Weltkrieg. Wie viele Dampfloks mögen sich über dieses Material hinwegbewegt haben über die Jahrzehnte? Wie mag das Leben hier in der Gegend damals ausgesehen haben? Über all das lässt sich nur mutmaßen. Aber die alten Bahnschwellen sind noch greifbar, als überraschende Zeugen der Vergangenheit.

In der Folge verläuft das Gleis durch Allee-artige Wäldchen, und überquert einen kleineren Bachlauf, bis es in einem recht dichten und unberührt wirkenden Wald, parallel zum Gerner Graben, nicht mehr schnurgerade wie zuvor, sondern in leichten Kurven weitergeht. Wer zwischen den Bäumen rechterhand in den Gerner Graben hinabsteigt, der findet dort zahlreiche riesige, uralte Betonelemente vor, mittels derer der Bachlauf, der den Graben immer noch hinunterplätschert wohl dereinst gebändigt werden sollte, auf daß er die oberhalb liegende Bahnstrecke nicht gefährden würde. Doch schon lange vor der Bahnstillegung im Jahre 1987 muß sich hier niemand mehr darum gekümmert haben, denn die viele Tonnen schweren Betonelemente liegen heute wie Spielzeug verstreut, und das Wasser fließt größtenteils eher neben, denn in ihnen. In jedem Fall aber ist es ein wild-romatischer Anblick.

Wieder zurück oben auf dem Gleis kann man in einer langgezogenen Kurve sehen, daß seinerzeit auf den Schwellen über ein paar dutzend Meter hinweg ein paralleles Stahlteil gleich neben die Schiene gesetzt worden war. Ich frage mich, ob es der Stabilität insgesamt dienen, oder einem Entgleisen der Züge entgegenwirken sollte?

In diesem Bereich ist die Wanderung am schönsten. Wer innehält und lauscht, der hört immer wieder hie und da Vögel zwitschern, während im Hintergrund das Plätschern des Baches aus dem Gerner Graben heraufdringt.

Jetzt sind wir nur noch wenige Meter von der Stelle entfernt, wo am 2. März 1987 sintflutartige Regenfälle zu einem vorläufigen Ende des Zugverkehrs auf der Strecke führten. Übrigens nehme ich beim Wandern mehrmals erleichtert zur Kenntnis, daß irgendwer hier mitten im Wald die wohl vom Wind gefällten Bäume, welche quer übers Gleis gestürzt waren weggeschnitten hat, auf daß sie Fußgängern nicht den Weg versperren. Danke dafür! Überhaupt lässt sich aus den Spuren am Boden schließen, daß hier gerne und viel gewandert wird. Tatsächlich begegnet mir bald mitten im Wald eine Wasserburger Familie mit Hund. Wir kommen kurz ins Gespräch. Die Mutter ist augenscheinlich eine Befürworterin einer Reaktivierung der Strecke, die mit der aktuellen Stadtpolitik eher hart ins Gericht geht („familienfeindlich“, so das Urteil).

Wenig später stehe ich vor der Schlucht (Gaberseer Graben genannt), in die hinein die abgesägten Gleise der Altstadtbahn wie ins Nichts hinausragen. Alles ist hier mittlerweile so zugewuchtert, daß man auf der anderen Seite kaum noch ausmachen kann, wo das Gleis einmal weiterverlaufen sein mag. Aus alten Aufnahmen weiß ich, daß die Gleise einmal wie eine Hängebrücke über die von den Wassermassen geschaffene, ungefähr 50 Meter breite Kerbe in der Landschaft gehangen waren. Die wohl aus Sicherheitsgründen nunmehr abgeschnittenen Gleise samt Bahnschwellen liegen heute auf einem Haufen gleich neben dem Bahndamm aufgeschichtet.

Vom Gaberseer Graben bis in die Wasserburger Altstadt

Vom Abgrund am Gaberseer Graben aus hält man sich zunächst rechts, wo ein Trampelpfad den im Graben plätschernden Bach entlang in Richtung des nahen Innufers abzweigt. Unten angekommen, führt eine Brücke über den Bach, und man kann eine Forststraße auf der anderen Seite der Schlucht wieder nach oben gehen.

Bald trifft man dann auf das ziemlich überwucherte Stück Bahndamm, wo dereinst die Gleise östlich des Grabens weitergeführt hatten (sie wurden hier entfernt). Rechterhand des Weges fängt der Schienenstrang in Sichtweite wieder an, und man kann ihm noch für ein paar hundert Meter folgen, bevor undurchdringliches Dickicht ein weiteres Fortkommen unmöglich machen.

Doch hier wechselt man dann ganz einfach auf den rechts des Bahndamms in nur ein paar Metern Entfernung verlaufenden, regulären Spazierweg, welcher zwischen dem ehemaligen Bahndamm und dem hier ganz nah an die frühere Zugstrecke heranrückenden Inn verläuft.

Bald hat man dann auch schon das Wasserkraftwerk Wasserburg erreicht. Ab hier, und bis zum Tunnel kurz vor dem Altstadtbahnhof wurden die Gleise entweder entfernt, oder mit Kies überdeckt. Man sieht auf jeden Fall nichts mehr davon. Lediglich einzelne Relikte wie ein Sockel für Bahn-Equipment, und ein mit „DB“ beschrifteter elektrischer Anschlusskasten zeugen noch davon, daß das einmal eine Eisenbahnverbindung war.

Am Ende des Fußwegs entlang des Inns öffnet sich dann der klar als Eisenbahntunnel erkennbare Durchlass unter der Landzunge, auf der sich die wichtigste (Straßen-) Zufahrt nach Wasserburg befindet. Hinter dem Tunnel befindet sich heute ein schnöder Parkplatz. Aber wer genau hinsieht, der findet im Gestrüpp zwischen den Autos immer noch Gleise, eine Weiche und eine alte Lampe vor, die aus der Zeit, als sich hier noch der Bahnhof befand herrühren.

Ebenfalls noch vorhanden ist das Bahnhofsgebäude selbst. An dessen Fassade erzählt heute immerhin eine Plakette von dessen ehemaliger Funktion.

Hier endet die „reguläre Wanderung“ zum Thema Altstadtbahn. Doch für allgemein historisch Interessierte noch eine kleine Zusatzinfo:

Auf meiner Spurensuche nach Relikten der Bahnstrecke wurde ich auf sehr eigentümliche Zaunpfosten aufmerksam, die bei der gegenüber des Bahnhofsgebäudes befindlichen, alten Gärtnerei zum Einsatz kommen: Augenscheinlich früher einmal anders verwendete, massive und solid genietete Stahlteile mit jeweils einer großen Öse am oberen Ende. Ich erkundigte mich in der Gärtnerei, ob diese alten Stücke wohl mal irgendwie mit dem Bahnhof zu tun gehabt hatten. Nein, das sei nicht der Fall, erfuhr ich. Deren tatsächliche Herkunft aber fand ich nicht minder spannend:

Sie stammten nämlich von einer ehemaligen, wohl provisorischen kleinen Landebahn nahe Staudham, der dort im Zweiten Weltkrieg betrieben wurde.

„Wir haben noch weitere Teile von dort“, erfuhr ich. Das wollte ich natürlich sehen! Auf der Rückseite der Gärtnerei dann die restlichen Relikte: Originale, mutmaßlich amerikanische „Marston Mats“ (zu Deutsch: Luftlandebleche) – nunmehr in ihrem zweiten Leben als friedlicher Gärtnereizaun, der den Komposthaufen umfasst!

Fotos von all dem rechts oben in der Bildergalerie.